Samstag, 16. Mai 2015

Eine Reise in das Innere meines Körpers



Ich möchte hier über eine Art Reise berichten, die genau vor einem Jahr stattfand.
Wer kennt den Film "Die fantastische Reise"? Als  Kind war ich, angeregt durch den Film, fasziniert von der Idee, ins Innere eines Körpers reisen zu können. Damals war nicht vorhersehbar, dass es 50 Jahre später möglich ist, in den eigenen Körper zu reisen.
Warum ich das schreibe? Weil ich Dich vielleicht motivieren kann, das Richtige zu machen, Zeichen in Deinem Körper ernst zu nehmen, Dich im Krankenhaus nicht abschasseln zu lassen.
Im Frühjahr war ich einige Zeit krank gewesen, starker Husten, Grippe, deswegen dachte ich mir nicht viel dabei, als ich beim Fußballspielen Kreislaufprobleme bekam und beschloss, ins Tor zu gehen. Ein leichtes Ziehen in der Brust bei Belastung.
Eine Woche später fuhr ich nach Holland, um einige Seilgarteninspektionen zu machen. Bei Klettern spürte ich Schmerzen in der Brust. In den folgenden Tagen hatte ich immer bei Kreislaufbelastung diese unangenehmen Schmerzen, die aber bei Beruhigung wieder verschwanden. Was mir Sorgen bereitete: Die Schmerzen traten von Tag zu Tag bei geringerer Belastung auf.  Bei der letzten Inspektion musste ich ziemlich anstrengend 15 Meter hinaufklettern und dachte mir oben: Hoffentlich kriegst Du jetzt keinen Herzinfarkt, hier kriegt dich keiner so schnell runter. Das mit dem Herzinfarkt ist eben schnell einmal hingesagt.
Ich fuhr danach nach Saalfelden, weil ich dort einen Vortrag hielt. Als ich am Morgen des 10. Mai aufstand, bekam ich schon vom Aufstehen und Stiegensteigen diese Schmerzen. Ich wusste, ich muss heute ins Spital um auszuschließen, dass es etwas Ernstes ist. Man verdrängt eben leicht das Offensichtliche, will es nicht wahrhaben. Unter uns gesagt: Die Symptome waren eindeutig, für mich klar diagnostizierbar.
Ich musste mich ziemlich motivieren und konzentrieren, meinen Vortrag hinzubekommen. Dann verabschiedete ich mich und fuhr die paar Kilometer ins Krankenhaus Zell am See.
Ich marschierte rein und sagte beim Portier: „Ich glaube, ich habe ein akutes  Herzproblem.“ Er deutete auf die Treppen und sagte: „Dort hinauf bitte in den ersten Stock.“ Ich musste lachen, hatte nämlich genau mit diesem Slapstick gerechnet, aber es war trotzdem lustig, dass der Portier so gut mitspielte. Bei akutem Herzproblem ist die Erste Hilfe also Stiegensteigen … nicht etwa hinsetzen.
Ich schleppte mich in den ersten Stock und wiederholte meinen Satz. Die freundlichen Schwestern setzten mich auf ein Bett und nahmen mir Blut ab.
Nach einiger Zeit kam eine Ärztin und sagte: „Sie haben Verdacht auf Herzinfarkt“. Ooops ... Es dauert, bis so eine Message sickert. Nun musste ich mich hinlegen, sie wollten mir Sauerstoff geben. Ich sagte „Wie geht’s weiter?“ Sie sagte: „Jetzt am Wochenende ist niemand da, wir können erst am Montag nachschauen.“
Ich sagte: „Ich warte doch nicht hier ein Wochenende. Bitte sagen Sie mir, wo ein Krankenhaus ist, wo jemand was tun kann. Ich gehe auf Revers raus und fahre selbst dort hin.“
Das war ihnen dann doch zu heiß und sie organisierten eine Rettungsfahrt ins Landeskrankenhaus Salzburg. Eine Stunde später lag ich im Krankenwagen am Tropf, der begleitende Arzt war sehr nett.
Ich möchte die Geschichte kurz machen:  Eine Stunde später lag ich am Operationstisch und der Herzspezialist schob mir einen Katheter ins Herz. Ein Grenzerlebnis der anderen Art. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte ich das mit dem Herzinfarkt immer noch nicht glauben. Ich schaute am Bildschirm fasziniert zu, sah mein Herz schlagen, bewunderte die Verwirbelungen des Kontrastmittels.
Plötzlich sagte der behandelnde Arzt: „Massiver Verschluss der XY Arterie (XY steht für einen lateinischen Namen). Ich blickte auf den Schirm und wusste sofort: Das ist ernst.

Nur mehr ein ganz ganz feiner Blutfaden versorgte gerade noch den vorderen Teil des Herzens.
Wer es nicht erkennt: Hier sollte  die Arterie so dick sein wie neben dem dünnen Faden.

Dann ging es zu wie beim Formel-1-Reifenwechsel. Das Anbringen des Stent war ein wirkliches Grenzerlebnis, wo ich dauernd damit kämpfte, nicht wegzukippen. Ich muss aber sagen: Es war faszinierend, einem hochprofessionellen Team zuzuschauen und zuzuhören. Da saß jeder Handgriff in einer hochkomplexen Prozedur.  Ich hatte auch das große Glück, dass der Top-Spezialist am Samstag Dienst hatte.
Das abschließende Bild zeigt, dass wieder alles in Ordnung ist ... naja, es ist repariert.
Der Arzt sagte mir dann, dass es gut war, dass ich darauf bestanden hatte, sofort etwas zu tun, da ich das Wochenende  mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht überlebt hätte. Und wenn, dann hätte ich den Rest meines Lebens massive Probleme gehabt. Und der Verschluss wäre in den letzten paar Wochen entstanden, ganz frisch. Warum könne er auch nicht sagen.
Die darauffolgenden Monate waren nicht leicht. Körperlich sehr geschwächt, psychisch nicht gut drauf. Ich würde es charakterisieren: Es ist gegangen, es war ok. Die Alternative wäre ja ganz anders gewesen. Mein Blutdruck pendelte um die 50 zu 80 (statt 80 zu 120), nach dem Motto: Je niedriger desto gut.
Vor zwei Wochen habe ich die Medikamente abgesetzt, und das tut mir sehr gut: Die Hälfte der Tabletten hat als Nebenwirkung Depression, und ich spüre sehr deutlich, wie Lebensfreude und Motivation gestiegen sind. Und ich bin nicht mehr übersät mit blauen Flecken.
Ich schreibe diesen Post, weil ich Dich motivieren möchte, Zeichen Deines Körpers ernst zu nehmen, nicht zu verdrängen. Bei Beschwerden gleich ins beste Krankenhaus, nicht ins Provinzkrankenhaus zu gehen und dort auf einer guten Behandlung zu bestehen.
Ich danke allen, die mich in der Zeit unterstützt haben, vor allem den mir nahestehenden Menschen, die mich erleben ließen, wie wichtig ich ihnen bin. Ich verspreche Euch, dass ich mich ins Zeug lege, um noch einige Zeit hierzubleiben.

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