Es war einer dieser chill-out
Tage, wo man mit der Arbeit fertig ist und sich fragt: Was mache ich heute den
ganzen Tag? Ich hatte meine Inspektion beendet, genoss die Pufferzeit und
schrieb am Bericht. Nebenbei fand ein Train the Trainer statt.
Eigentlich hatte ich beschlossen,
ins nahe Wirtshaus auf einen Latte Macchiato zu gehen, aber aus einem
unerfindlichen Grund (meine Freunde kennen das schon …. die Stimmen in meinem
Kopf …) blieb ich auf der unbequemen Treppe sitzen.
Der Tag sollte eine ganz andere
Wendung nehmen.
Vorweg: Das meiste, was in
Seilgärten mit Rettung bezeichnet wird, verdient diesen Namen nicht und ist
ganz normale betriebsbedingte Unterstützung: Hinunterlassen von Plattformen und
ähnliches.
Rettung bedeutet:
Unvorhergesehen, unplanbar und lebensbedrohlich, daher hoher Zeitdruck.
Die Natur gibt uns folgende
Zeitvorgaben: Atemstillstand, Herzstillstand: Maximal 3 Minuten bis zur
Reanimation. Hängetrauma ca. 15 Minuten. Diese 15 Minuten beginnen zu laufen,
sobald der Hängende die Beine nicht mehr bewegen kann (Muskelpumpe und so) und
langsam „unklar“, eindeutig erschöpft wird.
So – ich saß auf meinem
Basislager, schrieb relaxed auf meinem PC, genoss die Natur, als jemand zu mir
kam und fragte, ob ich ein Rescue Kit hätte. Ich sagte nein. Das Problem: „Dort
hängt schon einer seit 7 Minuten und wir müssen ihn schnell runterkriegen".
Offensichtlich war das nun meine
Aufgabe. Denn: „Ich glaube, ich kann eins zusammenstellen.“ Von null auf
hundert, Kaltstart. Ich sprang in meinen Gurt, Helm, nahm meinen Rucksack, wo
ich 15 m 6mm Dyneemaseil habe und ging Richtung Verunglückten.
In diesem Bild sieht man meine beschränkte Ausrüstung.
Dazu hatte ich noch dieses Seil:
Dabei ging ich in
Gedanken alles durch. Wichtig war, den richtigen Parcours zu erwischen. Das
gelang mir auch mit Doppelcheck.
Dank meiner Einhandrolle war ich
in 1 Minute beim Verunglückten. Ein anderer Teilnehmer war bei ihm, auf der
Plattform, aber da der Verunglückte an die 100 kg hat, ist es ihm nicht
gelungen, ihn auf die Plattform zu ziehen.
Das wichtigste ist, vor allen
anderen Aktionen dem Hängenden eine Steigschlinge zu geben: Das ist eine
Bandschlinge 80 cm mit Schnappkarabiner, die man irgendwo in das Verbindungsmittel
einhängt, damit er entlasten kann. Leider ist das nicht Standard, denn das
hätte viele Probleme erspart, wenn der Kollege auf der Plattform das sofort
gemacht hätte.
Gut. Schlinge. Reinsteigen. Es
war aber sofort klar: Das geht nicht mehr. Auch gut, oder eigentlich: Ganz
schlecht. Umschalten auf „so rasch wie möglich auf sicheren Grund bringen.“ Ich
wusste, ich hatte nur einen Versuch, ihn auf die Plattform zu ziehen, ansonsten
wäre runterschneiden angesagt.
Obwohl ich von der falschen Seite gekommen war, gelang es zu zweit unter Aufbietung aller Kräfte ihn auf die Plattform zu ziehen. Er saß dort sehr erschöpft. Nun ist eine Plattform kein Platz für eventuelle Erste Hilfe (so mit Wiederbelebung usw.), daher ließ ich ihn mittels HMS hinunter. Ein anderer Trainer hatte unten einen Backup-HMS, daher konnte ich den TN von der Plattform lassen.
Obwohl ich von der falschen Seite gekommen war, gelang es zu zweit unter Aufbietung aller Kräfte ihn auf die Plattform zu ziehen. Er saß dort sehr erschöpft. Nun ist eine Plattform kein Platz für eventuelle Erste Hilfe (so mit Wiederbelebung usw.), daher ließ ich ihn mittels HMS hinunter. Ein anderer Trainer hatte unten einen Backup-HMS, daher konnte ich den TN von der Plattform lassen.
Soweit so gut.
Es ist phänomenal, wie viele
Fehler man macht, die meines Erachtens nicht vermeidbar sind. Ich hatte
überlegt, von welcher Seite ich komme. Eine Zipline hinaufhangeln und 2
Elemente gehen, oder normaler Einstieg und über 8 Elemente? Entscheidung die 8
Elemente. Das Problem: ich hatte mir die falsche Frage gestellt und endete auf
der falschen Seite des Verunfallten. Es war reines Glück, dass ich ihn dennoch
mit Hilfe raufziehen konnte. Wenn ich von der anderen Seite gekommen wäre, wäre
das deutlich einfacher gewesen.
Falsche Frage: Wie komme ich am
besten zum Verunfallten?
Richtige Frage: Wie komme ich zu der Stelle, wo ich am besten retten kann?
Der erste Versuch gelang, und das
wäre auch der letzte gewesen. Die nächste Lösung wäre nur ihn abzuschneiden.
Denn aus fast nix einen Flaschenzug oder eine Wippe bauen, womit ich eine
100-Kilo-Person heben kann, hätte zu lange gedauert. Ich bin mir nicht sicher,
ob ich ausreichend Material gehabt hätte, ihn aus den Verbindungsmitteln zu
heben.
Okay, Schneiden, ich habe immer
einen Leatherman mit. Ooops … mit? Der lag sehr gut auf der Plattform in einem
anderen Rucksack. Das hatte natürlich seine Gründe, aber die sind Nebensache.
Na gut, es hätte 5 Minuten
gedauert, jemanden hinzuschicken und zur Plattform hinaufzuziehen, aber das
könnten 5 Minuten zu viel sein. Und im Stress gelingen den umstehenden Leuten
die einfachsten Handgriffe nicht, wie ich aus einem vorangegangenen Unfall
weiß.
Das wird mir nicht mehr passieren:
So – nun die Analyse:
1. Immer,
wirklich immer das Material beisammen haben, egal, wo man ist, ob man überhaupt
„in charge“ ist. Willst du retten, musst du Zeug haben.
2. Es
hilft eine Checkliste für „Jemand hängt irgendwo“:
A) Material -à Gurt, Helm, Karabiner, Seil, Schlingen, Messer.
A) Material -à Gurt, Helm, Karabiner, Seil, Schlingen, Messer.
B) Richtiger
Einstieg: Von wo kann ich am besten helfen?
C) Sofort
Steigschlinge geben und sagen „Aufstehen“. Beim Hängen das Wichtigste. Solange
der andere aufstehen kann, ist es etwas entspannter.
D) Kann ich ihn
zur Plattform ziehen? Wenn ja, Tu‘s, wenn nein: Schneiden und runterlassen. Es sei denn, du hast eine schnellere Entlastungsmöglichkeit als Schneiden.
E) unten
angekommen ganz normale Erste Hilfe. Die kruden Regeln, wie nur nicht hinlegen
bis sogar „waagrecht hängen lassen bis die Rettung da ist“ (ja das gibt’s!)
vergessen. Sitzen lassen oder hinlegen, wenn bei Bewusstsein. ABC wenn
bewusstlos.
Thats it.
Und es ist immer wieder spannend, wie aufregend so etwas
ist, wenns einmal ernst wird. Das Herz klopfte mir bis zum Hals, und ich machte viele
kleine Fehler.
Die halte ich für unvermeidbar, daher sind folgende
Kompetenzen für Retter wichtig:
1.
Umgang mit Unvorhersehbarem. Viele Situationen
mit verteilten Rollen durchspielen, als ob‘s ernst wäre.
2.
Lernen, ohne Hilfe zu arbeiten
3.
Fehlerkompetenz (z.B. sich auch nicht durch
schwere Eigenfehler nicht rausbringen lassen)
Und für mich persönlich gilt:
Pass auf vor allem bei Train the Trainerkursen. Alle drei Rettungen waren bei
Trainerausbildungen – bei einer Zielgruppe, wo man es nicht erwartet.
Hier ist meine Checkliste in meinem Materialsack:
PS.: Bei Retterausbildungen wird einem eingebläut, dass man Hängetraumatisierte nur ja nicht hinlegen darf. Das hat sich nun als modernes Märchen entpullt, mehr als 40 Jahre nachdem es das erste mal erzählt wurde.
PPS.: Das Lustigste zum Schluss. jeder fragt sich natürlich: Wo war der Rettungssack?
Der ist absichtlich im Office gelassen worden, damit er nicht gestohlen wird.
Niemand hat an diesem Tag mit einer Rettung gerechnet.
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